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Die Bauindustrie als Kreislauf gedacht

Weltweit leben mehr als die Hälfte aller Menschen in Städten. Gleichzeitig sind Gebäude heute für 37% der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Durch die fortschreitende Urbanisierung wird sich dieser Trend weiter verstärken. Die Baubranche muss handeln und ihre Wertschöpfung dekarbonisieren. 

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Stefan Kaufmann

works as Product Manager BIM Strategy & New Technologies at ALLPLAN, a Nemetschek Company and has various experiences in driving digitalization in the construction industry

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Die Bauindustrie als Kreislauf gedacht

Dieser Artikel gehört zur Collection Nachhaltigkeit

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Weltweit leben mehr als die Hälfte aller Menschen in Städten. Gleichzeitig sind Gebäude heute für 37% der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Durch die fortschreitende Urbanisierung wird sich dieser Trend weiter verstärken. Die Baubranche muss handeln und ihre Wertschöpfung dekarbonisieren. Die Ziele sind ambitioniert: Bis 2050 soll die gesamte Bauindustrie klimaneutral sein. Das bedeutet, dass alle gefragt sind: Architekt*innen, Bauunternehmen, Facility Manager*innen – aber auch Softwareunternehmen, denn digitale Lösungen schaffen Transparenz und geben den Verantwortlichen neue Möglichkeiten die ökologische Transformation zu optimieren.

Nachhaltigkeit umfassend betrachten

Nachhaltigkeit in der Baubranche bedeutet insbesondere, den Lebenszyklus von Bauwerken ganzheitlich und als Kreislauf zu betrachten: Bereits in der Planungsphase kann der CO2-Fußabdruck über den gesamten Lebenszyklus berechnet werden – Bau, Betrieb und Rückbau werden analysiert und optimiert. Datengestützte Workflows auf Basis des Building Information Modelings (BIM) bieten Hilfe bei der Entscheidungsfindung, sorgen für verbesserte Visualisierung, Koordination und Energieeffizienz. Dass die Bauindustrie besonders gefordert sein wird, um die Klimaziele zu erreichen, schlägt sich auch in den Klimazielen der Vereinten Nationen und der Europäischen Union nieder. Hier stehen besonders die Energieeffizienz des Gebäudebestands, der Bedarf an nachhaltigen Bau- und Sanierungsmethoden und -standards, sowie die Reduktion von Abfall und der Wandel hin zu einer kreislauffähigen Wirtschaft im Fokus. Kein Wunder, sind doch Gebäude für 50% des Verbrauchs aller gewonnenen Rohstoffe, 33% des Wasserverbrauchs und 35% der weltweiten Abfälle verantwortlich. International gibt es daher unzählige Initiativen für mehr Nachhaltigkeit, die direkt oder indirekt auch den Bausektor im Fokus haben. So hat Dänemark bereits eine Strategie zur energieeffizienten Renovierung des Gebäudebestands implementiert – und Finnland erarbeitet Maßnahmen zur Förderung der Kreislaufwirtschaft im Bauwesen und reformierte seine Flächennutzungs- und Baugesetze. Doch auch Strategien zum Thema Abfallvermeidung (Schwedens „Vision Zero Waste“) betreffen die ressourcenintensive Baubranche und setzen einen Wandel in Gang. Auch in Deutschland wurden Anfang 2023 die Qualitätsmerkmale für nachhaltiges Bauen erweitert und eine neues staatliches Förderprogramm für nachhaltige Neubauten aufgelegt.

Nachhaltiges Datenmanagement mit BIM

Beim optimalen, nachhaltigen Bauen und insbesondere bei der Sanierung von Bestandsgebäuden müssen viele Kriterien berücksichtigt werden: Reduktion und Vermeidung von Abfall, ressourceneffizienter Einsatz von Baumaterialien, CO2-neutrale Energiegewinnung, Einsatz nachwachsender Rohstoffe, Recycling- und Rückbaufähigkeit der Gebäudekonstruktion, Renovierungskosten und Förderbedingungen, um nur einige zu nennen. Hier sind digitale Arbeitsmethoden auf Basis von BIM nützlich. Wo steht die Planung in Bezug auf Nachhaltigkeit? Was ist der beste Weg, um den ökologischen Fußabdruck eines Immobilienportfolios zu verbessern? Komplexe Fragestellungen können mit Hilfe von BIM Modellen automatisierter und leichter beantwortet werden. Die Modelle reduzieren darüber hinaus Planungsfehler und verbessern Bauabläufen. Ein nachhaltiges Datenmanagement mit BIM hilft der Immobilien- und Bauwirtschaft, ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Und das über alle Leistungsphasen und Gewerke eines Gebäude- oder Infrastrukturprojektes hinweg.

In der Planungs- und Entwurfsphase trägt die modellbasierte Planung dazu bei, dass alle Gebäudekomponenten einfach mit Baumaterialien und deren CO2-Emissionenbemustert werden können und unterschiedliche Konstruktionsvarianten erzeugt werden können. Das ermöglicht umfassende Analysen und Simulationen bevor die Werk- und Montageplanung beginnt. Dabei wird der ökologische Einfluss jeder Gebäudekomponente des gesamten Projekts über ihren Lebenszyklus berechnet. Verbesserungspotentiale werden frühzeitig erkannt und genutzt. Auch innovative Bauverfahren mit hohem Vorfertigungsanteil und modulare Baumethoden können mithilfe von BIM einfacher implementiert werden, da nur eine durchgängige 3D-Modllierung sicherstellt, dass die vorgefertigten Module fehlerfrei geplant und montierte werden.

In der Bauphase liegt der Hauptnutzen von BIM darin, dass alle Projektbeteiligten durch einen gemeinsamen Zugriff auf zentral gelagerte Daten sicher fundierte Entscheidungen treffen können – und so unnötige Nacharbeiten und Fehler verhindert werden. Auch hier sind die Vorfertigung und der Modulbau ein gutes Beispiel aus der Praxis: mit parametrischen BIM-Lösungen lassen sich viele Arbeitsschritte der Detailplanung automatisieren und schnell Konstruktionsvarianten erzeugen. Dadurch lässt sich der Materialverbrauch senken. In Kombination mit einer LEAN-basierten Bauzeitenplanung lassen führt BIM zusätzlich zu einem effizienteren Baustellenmanagement: Anlieferungen können so geplant und getaktet werden, dass Lagerzeiten möglichst gering ausfallen. Die gesamte Baustelle kann zudem papierlos gestaltet werden: Statt großer und häufig unübersichtlicher Pläne können die Teams mithilfe von Tablets arbeiten – und jede*r kann egal von wo und wann auf das BIM-Modell zugreifen und sich einen Überblick über den Status Quo verschaffen. Das schafft nicht nur Synergien erhöht auch die Effizienz: BIM ermöglicht eine transparente und schnelle bidirektionale Kommunikation zwischen Vorfertigung, Baustelle und Büro. Durch den regelmäßigen Abgleich der BIM-Modelle mit Punktewolken werden Qualitätsmängel schnell erkannt und Mängel nachfolgender Gewerke werden vermieden.

Während der Betriebsphase steht besonders die Energieeffizienz im Zentrum der Nachhaltigkeitsbestrebungen. Auch hier kann BIM zur Optimierung eingesetzt werden. Das BIM-Modell wird, falls in geprüfter Qualität verfügbar aus der Planung übernommen oder aus einer Punktewolke und 2D-Plänen rekonstruiert. Es kann in Kombinationen mit Sensordaten der TGA und künstlicher Intelligenz dazu genutzt werden, Wartungen optimal zu planen, Energieverbräuche zu plausibilisieren, und die Flächennutzung des Gebäudes zu optimieren. Auch die bautechnische Zustandsüberwachung von Gebäuden wird zunehmend mit Hilfe von BIM-Modellen dokumentiert.
Ist ein Gebäuderessourcenpass mit dem BIM-Modell verknüpft, liefert das BIM-Modell am Ende des Baulebenszyklus wichtige Daten zum Rückbau und Wiederverwendbarkeit verbauter Materialien und Komponenten. Der BIM-basierte Gebäuderessourcenpass verschafft eine Übersicht, welche Materialien, wo, in welcher Menge und in welcher Qualität verbaut wurden – und ermöglicht so, das abzureißende Gebäude als Rohstofflager für zukünftige Gebäude zu nutzen – ein wichtiger Schritt hin zur Kreislaufwirtschaft in der Baubranche.

Hand in Hand für eine nachhaltigere Baubranche

Building Information Modeling bietet über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäude- oder Infrastrukturprojekts große Mehrwerte. Dadurch steigert sich nicht nur die Effizienz und die Qualität der gebauten Welt, sondern auch deren Nachhaltigkeit. Die durchgehende Implementierung von digitalen Arbeitsweisen wie BIM ist notwendig, um die globalen Klimaziele zu erreichen – und den CO2-Fußabdruck des Gebäudesektors signifikant zu senken. Dabei sind alle Projektpartner gefragt, gemeinsam an nachhaltigen und resilienten Städten der Zukunft zu arbeiten.

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Ulrike Beringer

Director Corporate Communication & CSR

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