Back

Beton und Nachhaltigkeit – Nicht unbedingt ein Widerspruch

Beton hat nicht den besten Ruf im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit. Das muss aber nicht so sein. Vorgefertigte Betonelemente zeichnen ein ganz anderes Bild in Bezug auf nachhaltige Produktion, thermische Vorteile und Wiederverwendbarkeit.

Author

Anton Glasmaier

Geschäftsführer des Verbands Österreichischer Beton- und Fertigteilwerke (VÖB)

Lesezeit: Minuten
Back
Beton und Nachhaltigkeit – Nicht unbedingt ein Widerspruch

Dieser Artikel gehört zur Collection OPEN BIM

Zur Themenseite
Die Vorteile der Vorfertigung für den Klimaschutz

Zudem sind die sozialen Aspekte nicht zu unterschätzen, die Vorfertigung wirkt sich sehr positiv auf die Arbeitssicherheit aus. Die Baubranche führt leider derzeit noch die Negativstatistik an, in keiner Branche gibt es mehr Unfälle als in der Baubranche. Strengere Schutzmaßnahmen steuern diesem Trend entgegen, aber die Arbeit auf der Baustelle birgt immer noch zahlreiche Risiken. Im Fertigteilwerk dagegen übernehmen abgesicherte Maschinen gefährliche, körperlich anstrengende oder sogar gesundheitsschädliche Arbeitsschritte. So profitiert nicht nur die Natur von der Effizienz und Präzision der Vorfertigung, sondern auch und vor allem die Menschen, die, die am Bauwerk mitwirken oder in der nahen Umgebung leben.

Welche Vorteile bieten Betonfertigteile konkret im Bereich des Klimaschutzes – insbesondere entlang des gesamten Gebäudelebenszyklus?

1. Klimaschutz-Vorteile bei der Planung des Bauwerks

Mit Hilfe spezialisierter Fertigteil-Planungstools – beispielsweise von ALLPLAN – erfolgt zunächst die sehr detaillierte und dank zahlreicher Automatismen gleichzeitig effiziente Planung der Fertigteile. Dabei wird vom ersten Moment an mitbedacht, ob die Gestaltungsidee umsetzbar ist. OPEN BIM und offene Schnittstellen reduzieren zudem Verluste und Friktionen zwischen den einzelnen Projektphasen und bieten somit Potenzial für Fehlerminimierung und Effizienzsteigerung – die einen positiven Einfluss auf den Materialverbrauch haben.

Zudem ermöglicht Beton dank seiner besonderen Eigenschaften eine bessere Flächennutzung: Man kann mit ihm sowohl in die Tiefe als auch in die Höhe planen und bauen und reduziert somit die Grundversiegelung.

2. Klimaschutz-Vorteile bei der Produktion im Werk

Anschließend erfolgt die Produktion, die im Werk wesentlich ressourcenschonender abgewickelt werden kann als auf klassischen Baustellen. Zum einen, weil es kaum Abfälle gibt, da etwaige Beton-Überschüsse sofort wiederverwendet werden können. Zum anderen, weil Wasser wiederverwendet werden kann. Darüber hinaus erfolgt die Dosierung von Beton und Bewehrung computer- und robotergesteuert wesentlich präziser als manuell, was Materialeinsparungen im zweistelligen Prozentbereich bringt.

Weitere Materialeinsparungen sind mit Hohldielen als Fertigteildecke möglich. Bei Hohldielen werden rund 45 % Beton und 30 % Stahl eingespart. Ganz ähnliche Werte sind bei Fertigteilelementen mit Verdrängungskörpern und Aussparungskörpern möglich – alles, was an Beton und Stahl nicht für die Statik notwendig ist, kann so eingespart werden und bringt sowohl bei der Produktion als auch beim Transport enorme ökologische Vorteile.

3. Klimaschutz-Vorteile bei den Abläufen auf der Baustelle

Nach Qualitätsprüfung und Aushärtung der Fertigteile erfolgt der Transport auf die Baustelle. Anstelle von hunderten Fahrten mit Betonmischern über Monate hinweg – wie man es von klassischen Baustellen kennt – können die Fertigteile innerhalb weniger Tage fix und fertig auf die Baustelle transportiert, mit dem Kran an die richtige Position gebracht und sofort montiert werden. Die Lärm- und Staubbelastung für die Nachbarschaft und Arbeitskräfte wird auf ein Minimum reduziert. Mit Hilfe intelligenter Softwarelösungen werden die Fertigteile bereits in der für die Montage richtigen Reihenfolge produziert, verladen und transportiert – was wiederum die Fahrten auf ein Minimum reduziert und die Abläufe beschleunigt.

Besonders dieser Schritt bietet noch Raum für weitere Innovationen: Mithilfe von Künstlicher Intelligenz und Maschinellem Lernen könnte beispielsweise ein intelligenter Kran die Fertigteile mithilfe eines eingebauten Computer-Chips erkennen und selbstständig an die richtige Position bringen. Die Vorteile: nochmals beschleunigte Abläufe und reduzierte Emissionen.

Ebenfalls ein Plus für die Vorfertigung: Im Fertigteilwerk entstehen weniger Abfälle. Ein kleiner unvermeidbarer Rest, beispielsweise Kunststoffverpackungen von Schläuchen oder Ähnliches, kann fachgerecht und sauber getrennt der Wiederverwertung oder Entsorgung zugeführt werden.

4. Klimaschutz-Vorteile bei der Nutzung des Gebäudes

Beton bietet enorme thermische Vorteile und ermöglicht es, Heiz- und Kühlkosten zu reduzieren – das ist hinsichtlich Klimaschutz eine der größten Stärken von Beton. „Bauteilaktivierung“ lautet hier das Stichwort. Ein Beispiel ist der Bildungscampus Liselotte-Hansen-Schmidt in der Seestadt Aspern, eine Schule in Wien für 1.400 Schüler*innen und Lehrende. Hier sorgen mehr als 50 Erdsonden für ein angenehmes Raumklima. Die in der Tiefe gewonnene Wärme beziehungsweise Kälte wird durch Schläuche geleitet, die in den Betonfertigteilen integriert sind. Die Fertigteile speichern so die Energie und geben diese langsam an die Räume ab. Ein weiterer Vorteil: Es lassen sich mehrere Gebäude kombinieren - und die Energie wird hingeleitet, wo sie gerade benötigt wird. Ein Beispiel: Die Abwärme der Gewerbetreibenden kann dann zur Warmwasseraufbereitung für die benachbarten Wohnungen verwendet werden. Eine Win-win-Situation für alle Beteiligten.

5. Klimaschutz-Vorteile beim Rückbau, beziehungsweise der Wiederverwendung

Auch bei der Wiederverwendung bietet die Vorfertigung enorme Vorteile: Wenn man ein Gebäude nach 50 Jahren zurückbauen möchte, wäre es technisch ohne Weiteres möglich, Massivwände, Hohldielen, Treppen, etc. wiederzuverwenden. Mit Hilfe eines digitalen Zwillings wäre die Transparenz hinsichtlich Betonqualität, Alter und Zustand gegeben. Eingebaute Chips, wie sie heute beispielsweise schon in Tunneln verwendet werden, können Alarm schlagen, wenn Belastungen ein gewisses Niveau erreichen. Es könnten sich in Zukunft Tausch- oder Second-Hand-Börsen für Materialien und Bauteile etablieren. Noch sind die rechtlichen Rahmenbedingungen nicht vollständig geklärt – aber so kann ein wichtiger Schritt hin zur Etablierung von Kreislaufwirtschaft in der Baubranche getan werden.

Quo vadis, Vorfertigung?

Summa summarum bietet Beton, speziell in Fertigteilbauweise, zahlreiche ökologische Vorteile. Nicht außer Acht gelassen werden sollte jedoch, dass der für die Betonproduktion nötige Zement noch eine ungünstige CO2-Bilanz hat. Hier arbeitet die Forschung mit Hochdruck daran, den Bedarf für Zement zu reduzieren und umweltfreundlichere Zemente sowie Ersatz- oder Zusatzstoffe zu finden.

Werden also Betonfertigteile die ultimative Lösung für unsere Klimaprobleme sein? Beton allein wird nicht die Lösung sein, ebenso wenig wie jeder andere Stoff für sich allein. Klimaschutz kann nur im Miteinander funktionieren. Die Zukunft wird hybrid. Jeder Baustoff, ob Holz, Beton, Ziegel oder Glas hat besondere Stärken und sollte so eingesetzt werden, dass die jeweiligen Vorzüge bestmöglich zur Geltung kommen. Ein gutes Beispiel für die sinnvolle Verzahnung der Vorteile von Beton und Holz sind Verbunddecken – hier und bei vielen weiteren Themen erwarten Fachleute in den nächsten Jahren Produktinnovationen und eine zunehmende Verbreitung. Innovationen werden die Klimabilanz und den Einsatz aller Baumaterialien weiter verbessern – und auch der Beton wird in Zukunft dazu beitragen, Gebäude nachhaltig und ressourcenschonend zu planen, zu bauen und zu betreiben.

Anmeldung zu unserem Newsletter

Bleiben Sie up-to-date und gehören Sie zu den Ersten, die von neuen Topics & Insights-Artikeln erfahren.

Jetzt Abonnieren

Contacts
Ulrike Beringer

Director Corporate Communication & CSR

uberinger@nemetschek.com +49 89 540459-254

Topics and Insights
See all