Emissionsfreie Baustellen: Ein realistisches Ziel für nachhaltiges Bauen?
Author
Matt Wheelis
SVP Strategy for the Build & Construct Division bei der Nemetschek Group
Dieser Artikel gehört zur Collection Nachhaltigkeit
Zur ThemenseiteMan stelle sich eine Baustelle ohne fossile Brennstoffe vor – eine Baustelle, auf der keine petrochemischen fossilen Brennstoffe verbraucht werden und auf der es keine Emissionen gibt. Das ist gar nicht so weit hergeholt, wie es zunächst klingt. Wenn man einmal den Energiebedarf der Fahrzeuge außer Acht lässt, die noch über Generationen hinweg fossile Brennstoffe benötigen können, und sich auf die Emissionen auf der Baustelle konzentriert:
Ist „Zero Emission“, wie es im Englischen heißt, ein realistisch erreichbares Ziel? Tatsächlich ist es nicht nur möglich, sondern schon heute realisierbar – für diejenigen, die bereit sind, Investitionen zu tätigen und neue Verfahren auf ihrer nächsten Baustelle zu testen.
Batterie- vs. Wasserstoffbetriebene Baumaschinen
Eine emissionsfreie Baustelle ohne den Verbrauch fossiler Brennstoffe bedeutet, dass ein emissionsfreier Fuhrpark geschaffen werden muss. Das ist vielleicht gar nicht so weit hergeholt, wie es zunächst scheint. Es gibt bereits Optionen für diejenigen, die den Sprung wagen wollen – mit batterie- oder wasserstoffbetriebenen Geräten.
Batteriebetriebene Maschinen sind eine gute Option mit einer potenziellen Reichweite pro Ladung oder Betankung, die gleich oder größer ist als die von Benzin oder Diesel. Der Nachteil: Diese Technologien benötigen zwei bis acht Stunden zum Aufladen, wobei eine Hochspannungsquelle vorausgesetzt wird, was zu Ineffizienzen und Projektausfallzeiten führt. Wasserstoff hingegen hat die gleiche Reichweite wie batteriebetriebene Maschinen ohne die mit dem Tanken verbundenen Ausfallzeiten.
Die langfristigen Einsparungen, die sich mit diesen Technologien erzielen lassen, können die anfänglichen Kosten für die Umstellung von Benzin- oder Dieselmaschinen leicht ausgleichen und gleichzeitig einen Beitrag zum Verzicht auf fossile Brennstoffe am Arbeitsplatz leisten.
Umrüstung bestehender Maschinen auf Wasserstoff
Es ist auch möglich, bereits vorhandene Benzin- oder Dieselmodelle mit minimaler Anpassung der Maschine auf Wasserstoff umzurüsten. Dies kann durch die Umrüstung auf einen Wasserstoffverbrennungsmotor erreicht werden, der ähnlich wie ein herkömmlicher Verbrennungsmotor funktioniert, wobei die Zylinder komprimiertes Wasserstoffgas anstelle von Gas oder Diesel pumpen. Wie bei einem Verbrennungsmotor wird das Wasserstoffgas durch einen Funken entzündet, wodurch Energie für den Antrieb der Maschine erzeugt wird. Dies kann oft eine kostengünstigere und einfachere Option sein, um den Verbrauch fossiler Brennstoffe auf der Baustelle zu reduzieren.
Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Nachhaltigkeit und Kosten
Eine Herausforderung bei der Verbrennung von Wasserstoff in Verbrennungsmotoren ist jedoch die Möglichkeit der Entstehung von Schadstoffemissionen wie NOx und Feinstaub. Diese sind schädlich für unsere Gesundheit. Laut GeoHealth könnten durch die Vermeidung von Schadstoffemissionen aus energiebezogenen Aktivitäten, einschließlich des Baugewerbes, mehr als 50.000 Todesfälle pro Jahr in den USA verhindert werden. Aus diesem Grund gibt es immer strengere Vorschriften gegen diese Emissionen. Eine Möglichkeit zur Verringerung der NOx-Emissionen besteht darin, die Luftzufuhr in der Brennkammer zu erhöhen, was jedoch den Wirkungsgrad verringert. Eine andere Möglichkeit besteht darin, einen Motor zu wählen, der die „Flamme“ ganz aus der Verbrennungsreaktion herausnimmt. Da die fraglichen Schadstoffe in der Nähe einer Flamme entstehen, lassen sie sich auf diese Weise besonders effektiv vermeiden.
Wasserstoff-Brennstoffzellen verwenden einen Katalysator, um durch eine chemische Reaktion Strom zu erzeugen. Bei dieser Methode befindet sich der Wasserstoff in einer Brennstoffzelle an der Maschine selbst und wird über einen negativen Elektrodenanschluss mit Strom versorgt – der Wasserstoff wird zwischen einen Elektrolyten- und einen anderen positiven Elektrodenanschluss geschleust. Dadurch wird eine chemische Reaktion ausgelöst, die zu einem kontinuierlichen Stromfluss zu den Batterien führt. Natürlich wäre das die beste Option, da kontinuierlich Energie erzeugt wird, ist aber komplizierter und teurer in der Umsetzung.
Andere Lösungen nutzen eine flammenlose Verbrennungsreaktion zur Erzeugung von Strom aus Brennstoffen. Diese Technologie kann brennstoffunabhängig sein und nutzt eine flammenlose Verbrennungstechnologie, die Hochtemperatur-Abgaswärmerückgewinnung einsetzt, um auf Knopfdruck schadstofffreien Strom aus jedem Brennstoff zu erzeugen. Da Wasserstoff nur eine Option für fossilfreie Brennstoffe ist, können Bauunternehmen mit diesem Ansatz, den jeweils kostengünstigsten und reichlich vorhandenen erneuerbaren Brennstoff nutzen.
Dabei ist es wichtig, die Gewinnmargen vor starken Schwankungen zu schützen, indem ein Gleichgewicht zwischen Nachhaltigkeit und Kosten während der gesamten Energiewende projektbezogen und tagesaktuell gewährleistet wird. Das heißt, dass Baustellen heute in großem Umfang brennstoffunabhängige Generatoren einsetzen können und sofortige Vorteile bei der Verringerung des Kohlenstoffausstoßes und der Umweltverschmutzung erzielen – zum Wohle der Baustellenteams, der Umwelt und der Menschen vor Ort, indem sie einen alternativen und risikoärmeren Einstieg in den Übergang zu einer Baustelle ohne fossile Brennstoffe bieten.
Die Umweltauswirkungen von Wasserstoff: Sicherheitsprobleme und Herausforderungen bei der Speicherung
Was sind weitere Nachteile der Verwendung von Wasserstoff als Energiequelle? Der größte ist die Sicherheit. Wasserstoff hat eine geringe Molekülgröße. Wenn er also durch Feststoffe entweicht und sich mit Luft vermischt, kann er explosiv sein, vergleichbar mit Benzin oder Diesel. Da er nicht in der Natur vorkommt, muss er aus fossilen Brennstoffen gewonnen, komprimiert und dann für eine chemische Reaktion verwendet werden, bei der Energie in Elektrizität umgewandelt wird, um die Elektromotoren der Baumaschinen anzutreiben.
Die Infrastruktur der Tanks ist für die Sicherheit von Wasserstoff und der Wasserstoff-Brennstoffzellentechnologie entscheidend. Erstausrüster müssen Platz für Wasserstofftanks schaffen, da diese sperriger sind als Tanks für Flüssigbenzin oder Dieselkraftstoff. Die viel größere Fläche, die für die Wasserstoffspeicherung erforderlich ist, stellt eine Herausforderung in Bezug auf die Energiesicherheit dar.
Während ein 1.000-Liter-Dieseltank drei bis vier Wochen lang Strom liefert, reicht die gleiche Grundfläche beim Wasserstoff nur für zwei bis drei Tage. Außerdem ist die Lieferkette für Wasserstoff weit weniger ausgereift als die für Dieselkraftstoff und mit größeren Unsicherheiten behaftet, so dass die Umstellung auf Wasserstoff für die Unternehmen ein deutlich höheres Risiko von Projektverzögerungen bedeutet. Die Strafe dafür sind Bußgelder, die sich auf die ohnehin schon geringen Gewinnspannen auswirken.
Die Sicherheit von Lagertanks ist wegen der Flüchtigkeit von Wasserstoff von entscheidender Bedeutung. Ein Leck könnte unserer Umwelt ohne entsprechende Planung und Sorgfalt erheblich mehr schaden als nützen. Kurzfristig hätte ein Wasserstoffleck ein 33-mal höheres Erderwärmungspotenzial als CO2. Selbst mit den besten Absichten würden wir in unseren Bestrebungen noch weiter zurückgeworfen werden. Außerdem verweilt CO2 länger in der Atmosphäre als Wasserstoff, was bedeutet, dass die langfristigen Auswirkungen potenziell schwerwiegender sind. Aus diesen Gründen muss das Hauptaugenmerk auf den Einsatz sorgfältig ausgearbeiteter Systeme zur Herstellung, Verteilung und Nutzung von Wasserstoff gerichtet werden.
Abwägung zwischen Emissionseinsparungen und CO2-Fußabdruck
Überwiegen die durch die Verwendung von Wasserstoff eingesparten Emissionen die zu seiner Herstellung erforderlichen fossilen Brennstoffe, die in der Regel aus Erdgas gewonnen werden? Dies trägt zu einem CO2-Fußabdruck bei, der aufgrund der Konstruktion von Brennstoffzellen und der Logistik, die mit der Komprimierung, dem Transport und der anschließenden Verbrennung oder Umwandlung von Wasserstoff in Elektrizität in einer Brennstoffzelle verbunden ist, größer sein kann als bei erdgasbetriebener Energie.
Obwohl das Ziel darin besteht, Wasserstoff mit überschüssigem Ökostrom aus Wind- und Sonnenenergie zu erzeugen, da heute z. B. im Vereinigten Königreich nur etwa 44 % des gesamten Energiebedarfs aus erneuerbaren Energien gedeckt werden, haben wir noch einen weiten Weg vor uns, um diese Infrastruktur ausreichend zu skalieren, um die Menge an grünem Wasserstoff zu produzieren, die wir benötigen, um die Menge an Diesel zu ersetzen, die allein in der Bauindustrie verwendet wird. Wir müssen den gesamten Lebenszyklus der Wasserstofferzeugung berücksichtigen, um sicherzustellen, dass die Umstellung auf Wasserstoff nicht zu einem größeren CO2-Fußabdruck führt.
Baustellen ohne fossile Brennstoffe: Ein Appell zum Handeln an die Bauindustrie
Gibt es Unternehmen, die sich auf den Aufbau der Infrastruktur und das Entwickeln von Maschinen konzentrieren, die für die Einführung eines emissionsfreien Fuhrparks erforderlich sind? Auf jeden Fall.
Die Verringerung unserer Kohlenstoffemissionen auf der Baustelle ist nicht nur gut für unseren Planeten, sondern sorgt auch für eine sauberere und sicherere Umgebung für die Menschen, die auf den Baustellen arbeiten. Dies ist besonders wichtig, um Fachkräfte anzuziehen, an denen es derzeit mangelt und die dringend benötigt werden. Die nächste Generation von Nachwuchskräften schätzt Unternehmen sehr, die innovativ sind und proaktiv Maßnahmen zur Verbesserung der Nachhaltigkeit ergreifen.
Eine Baustelle ohne fossile Brennstoffe ist möglich durch einen Fuhrpark, der entweder elektrisch oder mit Wasserstoff betrieben wird, und es gibt viele OEM-Unternehmen (Original Equipment Manufacturer), die den Weg für die Bauindustrie ebnen, um deren CO2-Fußabdruck deutlich zu verringern.