Wie das Nemetschek Haus einen digitalen Zwilling erhielt
Eine solide Datenbasis ist entscheidend für digitale Zwillinge, jedoch bei bestehenden Bauwerken oft fragmentiert. Nemetschek hat daher dTwin, eine cloudbasierte SaaS-Plattform für Building Lifecycle Intelligence, entwickelt und erfolgreich am Firmensitz getestet.
Author
Martin Guggenberger
Head of Operations Digital Twin
Dieser Artikel gehört zur Collection Digital Twin
Zur ThemenseiteUm digitale Zwillinge von Gebäuden zu erstellen, ist die Datenbasis entscheidend. Während diese bei Neubauprojekten brandaktuell ist, ist insbesondere bei Bestandsgebäuden eine heterogene Datenlandschaft die Regel. Die benötigten Daten schlummern in zahlreichen Silos, sofern es überhaupt welche gibt. Dies erschwert die Erschaffung eines digitalen Zwillings deutlich. Um dies zu ändern, hat Nemetschek dTwin entwickelt, eine Cloud-basierte SaaS-Plattform für Building Lifecycle Intelligence – und direkt in der eigenen Firmenzentrale getestet.
Das Nemetschek Haus in München wurde im Jahr 2000 erbaut und beherbergt nicht nur die Nemetschek Group und mehrere ihrer Marken, sondern auch externe Mieter. Das Bürogebäude umfasst mehr als 30.000 Quadratmeter und hat in den vergangenen Jahren mehrere Renovierungen und Umbauten durchlaufen. Eine komplexe Landschaft, die mittels eines digitalen Zwillings auf einen „digitalen“ Nenner gebracht werden sollte.
Auf der Suche nach den Daten
Die Grundlage für digitale Zwillinge sind Gebäudedaten. In Neubauten liegen diese Daten gesammelt in einem BIM Modell vor. Bei Bestandsgebäuden, besonders bei älteren, gibt es in der Regel keine einheitliche bzw. vollständige Quelle. Hier liegen oft Informationen aus Skizzen, 2D-Zeichnungen, 3D bzw. BIM-Modellen, Bildmaterial und Sensoren vor. Diese heterogene Datenlage ist in der Bauindustrie leider keine Seltenheit. Sie führt zu Intransparenz und regelmäßig zu fehlerbehafteten Entscheidungen und damit hohen Kosten und Ineffizienz im Betrieb. Eine einheitliche und aktuelle Datengrundlage ist deshalb besonders wichtig.
Für Nemetschek war das ein entscheidender Faktor bei der Entwicklung von dTwin. Die Plattform fungiert als Single Source of Truth und liefert kontextbezogen Einblicke über den gesamten Gebäudelebenszyklus hinweg. Damit können bessere, datenbasierte Entscheidungen getroffen werden – im alltäglichen Betrieb aber auch für zukünftige Umbauten und Änderungen.
Offene Schnittstellen in der SaaS-Plattform erlauben den Import von CAD/BIM, CAFM/IWMS, und Echtzeitdaten aus IoT-Sensoren sowie der Gebäudeautomation und ermöglichen damit den Zugang zu umfassenden Informationen über ein Gebäude. Im Falle des Nemetschek Hauses brachten die Verantwortlichen zum einen entsprechende BIM-Modelle aus Renovierungen sowie Skizzen und Gebäudepläne von Umbauten in den digitalen Zwilling ein. Darüber hinaus wurde zusammen mit dTwin-Partner BIMm Services ein terrestrischer Laserscanner sowie mobile Scanner für Panoramaaufnahmen des Gebäudes eingesetzt.
Für die Panoramaaufnahmen können grundsätzlich aber auch Smartphones oder Tablets als mobile Scanner verwendet werden. Insgesamt entstanden 13.000 Aufnahmen des Gebäudes und rund 100 Gigabyte an Punktwolken-Daten, die nun als Futter für den digitalen Zwilling zur Verfügung stehen. Diese Daten wurden mit den historischen Quellen abgeglichen, um ein aktuelles, begehbares 3D-Replikat des Nemetschek Hauses zu erhalten.
Der digitale Zwilling in Aktion
Die Nutzung der Plattform ist auf die Bedürfnisse der Gebäudebetreibenden ausgelegt. Points of Interest und Quellen von Echtzeit-Daten können von Gebäudeverantwortlichen im digitalen Zwilling platziert und zugeordnet werden. Die Plattform verfügt außerdem über eine intuitive Nutzeroberfläche, die nicht nur den Wechsel der Darstellung von 3D-Punktwolke, 360-Grad-Panorama oder aktuellem BIM-Modell erlaubt, sondern Nutzer*innen auch das visuelle Überlagern der verschiedenen Quellen ermöglicht.
Die Plattform ist aber nicht nur ein Tool zur Visualisierung des Gebäudes, sondern liefert durch die Analyse von Parametern wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit oder CO₂-Gehalt Echtzeit-Daten zu jedem Raum und damit wertvolle Erkenntnisse zur Gebäudenutzung. Darüber hinaus lässt sich auch eine tabellarische Objekt-Bibliothek aller Assets erstellen. Nutzer*innen können diese ganz einfach filtern, durchsuchen und exportieren. Eine Heatmap vereinfacht die Identifikation und Lokalisierung fehlerhafter Assets. Dafür müssen Verantwortliche nicht einmal vor Ort sein. Über die Plattform können sie personalisierte Benachrichtigungen per E-Mail oder SMS einstellen. Und die Einblicke enden nicht mit den Außenmauern. Dank 3D-Geodaten von Google wird das Nemetschek Haus in das städtische Umfeld eingebettet.
Eine virtuelle Brücke zwischen Planung, Bau und Betrieb
dTwin schlägt so eine Brücke zwischen Planung, Bau und Betrieb eines Gebäudes und bietet allen Beteiligten durchgängige Transparenz. Die Schnittstellen zu verschiedenen AEC/O-Lösungen machen dTwin zur Single Source of Truth: Alle relevanten Daten laufen zentral in einer übersichtlichen Plattform zusammen und gewährleisten so die Interoperabilität verschiedener Systeme.
Während der Planung profitieren alle Beteiligten von einer gemeinsamen Informationsquelle. In der Bauphase werden alle neuen Informationen in die Plattform zurückgeführt, um den Gebäudefortschritt nachverfolgen zu können. Und am Ende der Bauphase erhalten Gebäudebetreibende ein vollständiges Modell mit allen relevanten Informationen für den Betrieb.
Dieser digitale Gebäudezwilling steigert nicht nur die Effizienz während des Gebäudebetriebes, sondern bietet auch die Planungsgrundlage bei zukünftigen Sanierungen oder Umbauten. Der digitale Zwilling wird damit zur objektiven Entscheidungsbasis – sowohl in Bestandsobjekten als auch in Neubauten.